Der Mann, der die Sau raus lässt: Hubertus Crone ist Deutschlands einziger Berufs-Meutejäger
Hubertus Crone aus Grobengereuth ist Deutschlands einziger Berufs-Meutenjäger - und hat sich seinen Job auch vor Gericht erstritten Grobengereuth. Ein Mann, eine Flinte, ein Hund - so geht üblicherweise Jagd in Deutschland. Nicht aber bei Hubertus Crone aus Grobengereuth im Saale-Orla-Kreis: Ihm folgen 18 Hunde, wenn es auf die Pirsch geht und statt Gewehr trägt er ein sehr solides Messer am Hosenbund. Crone ist Meutenjäger von Berufs wegen - bundesweit der einzige.
"Hubertusmeute" reist im Spezialtransporter an
Wer zu Crone will, den empfängt ohrenbetäubender Lärm aus gefühlt hundert Hundekehlen. In und um eine Halle der ehemals größten Schweinemastanlage der DDR erstreckt sich das tierische Geschäftskonglomerat des 52-Jährigen: Hundeschule und -pension, Wachhunde-Service und die Station der "Hubertusmeute" - eben jene 18"sibirischen Laikis, nordamerikanischen Plotthounds, Jagdterrier und Deutsch-Drahthaar, die Crone in einen voll klimatisierten Spezialtransporter verlädt, wenn die Kundschaft ihn bestellt, um möglichst vielen Wildschweinen den Garaus zu machen.
Hunde rein, Sauen raus - das ist, kurz gefasst, das Prinzip der Meutenjagd. Die Hunde stürmen in schwer zugängliche Waldstücke - Unterholz, Brombeerverhaue, Jungbestände -, schrecken die Saubande hoch und lassen die Schweine einzeln herausdüsen, vor die Flinten der Jäger. "Etwa 85 Prozent der Sauen werden von den Hunden in Bewegung gebracht", gibt Crone als Richtwert vor, "der Rest liegt bei den Schützen". Sind sie gut aufgestellt und treffsicher, erwischt es die Hälfte der flüchtigen Schweinetruppe. Dann ist für die nächsten Wochen oder auch Monate erstmal Schicht im Tann, jedenfalls wildschweinmäßig.
Allerdings ergibt sich nicht jeder Schwarzkittel. Vor allem die angeschossenen Bachen oder Keiler können zur durchaus lebensbedrohlichen Furie werden - für Hund und Mensch.
Früher hat Crone ein oder zwei Hunde je Saison verloren, einmal hat ihm ein tobender Keiler die Bauchdecke aufgerissen. Inzwischen ist seine Meute fünf Jahre ohne Verletzung durch Schweine geblieben; ihr Chef führt das auf gewachsene Erfahrung und gesteigerte "Wildschärfe" zurück, also mehr zufassende Entschlossenheit im Angesicht des Gegners.
Crone selbst trägt bei der Jagd nun saufeste Spezialkleidung mit Kevlar-Panzerung. Das "Abfangen" der von den Hunden gestellten Schweine freilich besorgt er so traditionell wie seit über 30 Jahren schon - mit dem Messer. Ein paar Tausend dürften es gewesen sein. Insgesamt hat die "Hubertusmeute" weit über 20 000 Schwarzkittel zum finalen Halali getrieben.
Verändert hat sich in den Jahren einiges. "In den Mais", sagt Crone, "gehe ich nicht mehr". Früher bildeten Jagden in Maisschlägen einen Gutteil der Einsätze, doch der schwarzhaarige Hüne mag sie nicht mehr riskieren: Zu viele Jäger, vor allem noch unerfahrene, bekämen dabei einen "Tunnelblick" am Abzug, würden feuern ohne Rücksicht auf die Laufrichtung der Schweine. "Ich habe genug Kugeln um mich herum pfeifen hören", findet Crone, "das muss ich nicht mehr haben." Zumal die Sauen auch ihre Taktik verändert hätten: Mehr und mehr würden die sich gleich auf die Schützen stürzen statt erst auf die Hunde.
Die tragen inzwischen GPS-Sender im Halsband. Auf einem Display kann der Meutenchef nun jederzeit sehen, wo seine Hunde bei der Arbeit sind - oder auch nicht. Eine ältere Plotthound-Dame etwa legt sich nach einem ersten Auftrieb gern mal zum Nickerchen, ein junger Rüde verpeilt schon mal den Richtungswechsel der Meute und trollt sich ins Gelände.
Statt stundenlang zu suchen, schaut Crone nun nach dem Sender und holt sich die Faulenzer: "Es jagt sich wesentlich beruhigter." Indes: Technik, Hunde, Unterbringung, Versicherungen - all das kostet. Geht die "Hubertusmeute" auf Tour, bewegen sich wertmäßig einige Mittelklassewagen. Um die fünfhundert Euro nimmt Crone pro Einsatz, es reicht, die Kosten zu decken, mehr nicht. Berufsjäger in Thüringen, derzeit sind es laut Jagdverband vier aktive, bleiben eine sehr seltene Spezies.
Silvio Eppler, Chef der Thüringer Profipirscher, macht dafür noch immer pekuniäre Ursachen aus: So lange die Probleme durch überbordende Wildbestände bei den Waldbesitzern nicht wirklich ans Eingemachte gehen, "will halt keiner bezahlen für eine Dienstleistung wie unsere". Einen Berufsjäger will man sich oft nicht leisten, obwohl er gut zu tun hätte.
Reh, Sau und Fuchs gelten vielerorts als Plage
Viele Jagdpächter und Hobbyjäger schaffen aus Alters- oder Zeitgründen kaum noch die vorgeschriebenen Hege- und Pflegearbeiten, in vielen Regionen sind Reh, Sau und Fuchs längst zur Plage geworden, der die Wochenend-Waidmänner nicht mehr Herr werden.
Allein bei Wildschweinen verdoppelte sich zwar 2012/13 die Abschusszahl mit fast 37 000 im Vergleich zum Vor-Jagdjahr, doch die gemeldeten Schäden sind kaum gesunken. Eppler, beim landeseigenen Thüringenforst angestellt, hofft zumindest auf die Zukunft der Profi-Pirscher: "Unsere Dienstleistung ist das effektivste Mittel gegen die wachsenden Wildschäden." Dank dreijähriger Ausbildung und tagtäglicher Erfahrung im Wald gehe der Berufsjäger "ganz anders heran" als der normale Jagdscheinbesitzer mit gerade mal 120 Stunden Lehrgang.
Effektiv, darin sieht Hubertus Crone, auch den größten Vorteil der Meutenjagd auf Wildschweine. Die Abschusszahlen pro Jagd seien um ein Mehrfaches höher als bei üblichen Drück- oder Ansitzjagden, auch wenn über 100 erlegte Schwarzkittel wie neulich bei Karlsruhe nicht die Regel seien und es eben auch "Nullnummern" gebe, wenn die Sauen statt vor den Hunden im Nachbarrevier hocken.
Gleichwohl, wohl gelitten ist die Meutenjagd bei den offiziellen Großverbänden nicht. Sie sehen in ihr eine Form der in Deutschland eigentlich verbotenen Hetzjagd, wie auch Thüringens Jagdverbands-Geschäftsführer Frank Herrmann betont: "Wir lehnen die Meutenjagd ab." Tierschutz als oberstes Gebot gelte auch für das Wild. Dem pflichtet auch Crone bei. Genau deshalb mache die Meutenjagd Sinn, sagt er: Statt nach Stunden oder am nächsten Tag mit Schweißhunden das angeschossene Wild zu suchen und erst dann vom Leiden zu erlösen, sorge die fassende Meute samt Jäger für ein schnelles Ende. Und dass seine Laikis, Terrier oder Plotthounds nicht etwa Reh oder Hirsch hetzen, sei strenger Teil ihrer Ausbildung und Prüfung.
Auch deswegen hat Crone 2010 die Vereinigung der Meuteführer Deutschland mitgegründet und eine Prüfungsordnung für Hunde erarbeitet, die "schwarze Schafe" ausschließt. Dass er das darf, auch gegen den damaligen Widerstand von Behörden und den scheinbar allmächtigen Jagd- und Gebrauchshundeverband Deutschlands, hat er sich sogar per Gerichtsurteil im Jahr 2009 erstritten. "Seitdem ist Ruhe", bekräftigt Crone stolz. Und es gibt einen neuen Meuten-Boom mit Aufträgen sogar aus dem Ausland: Bis Februar ist die "Hubertusmeute" ausgebucht.
Jens Voigt / 08.11.13 / OTZ
Quelle: poessneck.otz.de/web/lokal/leben/detail/-/specific/Der-Mann-der-die-Sau-raus-laesst-hubertus-Crone-ist-Deutschlands-einziger-Beru-389124660
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